Bakterienfresser in der Blase?
Das gibt’s! Das sind die sogenannten Bakteriophagen.
Das sind Viren, die sich in Bakterien wie E.coli, Klebsiella oder Enterokokken einschleusen, sich vermehren und diese Bakterien abtöten. So können sie im Kampf gegen multiresistente Keime helfen, also gegen die kein Antibiotikum mehr Wirkung zeigt. Im Gegensatz zu Antibiotika sind sie spezifisch und greifen jeweils nur einen oder wenige Bakterienstämme an. Damit gelten sie als mögliche Wunderwaffe im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen.
Damit sind Phagen eine vielversprechende Option bei wiederkehrenden Harnwegsinfektionen.
Phagen sind Viren, die spezifisch Bakterien angreifen, ohne menschliche Zellen oder das Mikrobiom zu schädigen. Diese Therapie hat eine lange, aber wechselhafte Geschichte: Während sie in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg von Antibiotika verdrängt wurde, blieb sie in Osteuropa erhalten und wird dort bis heute genutzt. In den letzten Jahren erlebt sie in westlichen Ländern eine Renaissance, besonders als Option gegen multiresistente Keime.
Als gefährlichste und am weitesten verbreitete antibiotikaresistente Keime wurden von der EU folgende Bakterien identifiziert:
- Staphylococcus aureus, vor allem bei Knochen- und Gelenksinfektionen
- Pseudomonas aeruginosa, der vor allem für Lungenentzündungen verantwortlich ist
- Escherichia coli, verantwortlich vor allem für Infektionen des Harntrakts
Aktuell fehlen in der EU und Deutschland jedoch zugelassene Phagenpräparate. Nur in der Slowakei und Tschechien existiert mit Stafal® ein altes zugelassenes Medikament. In Deutschland sind Phagen bisher nur im Rahmen individueller Heilversuche einsetzbar. Zwar zeigen diese gute Verträglichkeit, aber es fehlen belastbare klinische Daten aus großen Studien.
Eine besondere Herausforderung ist die Wirtsspezifität von Phagen: Viele wirken nur gegen einzelne Bakterienstämme. Daher werden Phagen meist individuell für Patienten hergestellt („magistrale Herstellung“), was keine reguläre Zulassung erfordert. Polyvalente Phagen könnten breiter wirken und als standardisierte Medikamente zugelassen werden, doch technische, regulatorische und ökonomische Hürden bestehen weiterhin.
Neue Entwicklungen schaffen nun bessere Rahmenbedingungen:
- 2023 veröffentlichte die EMA einen Leitlinienentwurf für Phagenarzneimittel.
- 2024 nahm das Europäische Arzneibuch erstmals ein Kapitel zu Phagen auf.
Fazit: Die Phagentherapie könnte im Kampf gegen multiresistente Bakterien eine wichtige Rolle spielen. Damit sie jedoch von der Nische in die Routineversorgung übergeht, braucht es mehr klinische Evidenz, klare regulatorische Strukturen und interdisziplinäre Zusammenarbeit.
👉 Kurz gesagt: Phagen sind eine vielversprechende Antwort auf die Antibiotikaresistenz, aber ihr Durchbruch hängt von Forschung, Regulierung und praxisnaher Umsetzung ab.
In Georgien oder in Russland wird die Phagentherapie schon erfolgreich angewendet, bei uns steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen.
Fallbeispiel: Nierentransplantationspatient mit chronischer Harnwegsinfektion
- Bakterium: ESBL-produzierender Klebsiella pneumoniae, multiresistent, bei dem Langzeittherapie versagte.
- Therapie: Kombination aus Phagen (aus Georgien) – oral und intra-vesikal (Blasenspülung) – und dem Antibiotikum Meropenem(Reserveantibiotikum).
Ergebnis: Die Symptome verschwanden bereits innerhalb eines Tages nach Beginn der Phagenbehandlung. In den folgenden 14 Monaten blieben die Urinkulturen negativ.
2019. A Dutch Case Report of Successful Treatment of Chronic Relapsing Urinary Tract Infection with Bacteriophages in a Renal Transplant Patient.)
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